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Hopp, Hopp, Hopp, Schobbe inde Kopp

Samstag, 4. Oktober 2008. Auswärtsspiel der Eintracht in Mannheim. Klingt gut, ist es aber nicht, weil leider nicht gegen den traditionsreichen Club vom Waldhof gespielt wird, sondern gegen das künstlich aufgeblasene Plastikspielzeug eines gelangweilten Milliardärs. Ärgerlich, aber leider nicht zu ändern. Gerade da gilt es zu zeigen, dass die Eintracht zwar vielleicht weniger Geld hat, dafür aber echte Fans. Also machten Mojoenator und ich uns am Samstag Vormittag auf den Weg ins Badische. Das Baden-Württemberg Ticket teilten wir uns mit zwei Mitfahren vom EFC Exiladler Tübingen, die von uns mit Tickets fürs Spiel versorgt werden konnten, weil Horst und Uncle leider absagen mussten. Unser eigener Exiladler kam direkt nach Mannheim.


Nach 90 Minuten Bahnfahrt mussten wir in der Weltstadt Mosbach/Neckarelz umsteigen und erlebten am Gleis eine Überraschung. Dort standen Personen, die einer Gruppe angehörten, von denen wir gar nicht wussten, dass es sie gibt. Menschen, die offensichtlich wegen der TSG Hoffenheim in ein Fußballstadion fahren. Von Fans zu sprechen verbietet sich von selbst. Auch der Begriff "Kunden", der bei den Weißwurst-Brüdern so wunderbar zutreffend ist, will hier nicht passen. Diese Personen bringen der TSG Hoffenheim keine Einnahmen, sie kosten nur Geld. Die blauen T-Shirts, die jeder trug, wurden offensichtlich irgendwann mal verschenkt. Es befindet sich Werbung auf der Vorderseite auf der Rückseite und auf den Ärmeln. Ihre Schals müssen die Leute nicht kaufen. Man bekommt sie - wie wir später erfuhren - auf Auswärtsfahrten geschenkt, wenn man an einer solchen teilnimmt. Die Auswärtsfahrten werden auch vom Verein bezahlt oder zumindest soweit bezuschusst, das man fast nichts mehr selbst zahlen muss. Das ist alles sehr komisch. Diese Leute haben keine Leidenschaft für ihren Verein (sonst müsste der ihnen nicht alles bezahlen) und sie bringen dem Verein keine Einnahmen (schließlich bezahlt der Verein ja alles). Stimmung im Stadion machen sie auch nicht - wie wir später erfahren durften. Warum diese Menschen dahin gehen und warum jemand viel Geld für diese merkwürdige Beziehung ausgibt, verstehe ich nicht. Aber in der Welt des Dietmar Hopp ist so einiges unverständlich.

Zurück zum Thema. Wir zuckelten jetzt mit der S-Bahn (Zitat von der Anzeigetafel: "Hält überall") durch das wunderschöne Neckartal über Heidelberg nach Mannheim. Nachdem wir uns am Bahnof mit einem Imbiss gestärkt hatten, ging es in die Straßenbahn Richtung Stadion. Die Straßenbahnlinie führt an einem Irish Pub vorbei, das wohl bekannt dafür ist, dass sich dort die eher raubeinigen Fußballfans treffen und so war es auch. Da diese sich von dort auch gerade auf den Weg Richtung Stadion machten, waren wir fortan mittendrin im Mob. Und es war diesmal wirklich ein Mob. Tausende von Eintracht Fans bewegten sich per Bahn oder zu Fuß Richtung Stadion. Nicht jeder benahm sich einwandfrei. Die Straßenbahn kam irgendwann nicht mehr durch und wir stiegen mit uff der Gass aus, um zu Fuß weiterzugehen. Dass die Polizei erst jetzt, zwei Stunden vor Spielbeginn, mit Dutzenden von Mannschaftsbussen zum Stadion fuhr, spricht dafür, dass ihr entgangen war, wieviele Frankfurter sich Karten in den "neutralen" Blöcken besorgt hatten. Trotzdem verlief der Hinweg glücklicherweise ohne Zwischenfälle.

Am Stadion gabelten wir den Exiladler auf und gingen rein. Weite Teile der Ränge waren schwarz-rot. Die Stimmung war super, die Fans waren heiß auf das Spiel. Dietmar Hopp wurden wiederholt unrühmliche Verwandschaftsverhältnisse zu Dienstleisterinnen des horizontalen Gewerbes vorgeworfen. Geschmackvoll war das sicher nicht, neu aber genauso wenig. Die allgemeine Aufregung darüber ist insofern unverständlich. Die Eintracht begann verhalten, Hoffenheim stürmte. Bellaid war Bruder Leichtfuß, aber Nikolov hatte einen guten Tag. Das 0:0 konnte in die Pause gerettet werden. Zu Beginn der zweiten Halbzeit dann der erste Schock: Die Hoffenheimer gaben sich mit ihren geschenkten T-Shirts nicht mehr zufrieden und zogen eine Blockfahne hoch mit dem Bild von... Dietmar Hopp. Dazu das Spruchband: "Wir sind alle Dietmar". Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dann der zweite Schock: 1:0 für Hoppenheim. Nun gab die Eintracht aber Gas und endlich die Zurückhaltung auf. Spycher wirbelte auf links, Russ rückte immer wieder auf und machte Druck. Hoffenheim geriet ins Schwimmen und Steinhöfer machte das 1:1. Riesenjubel im Block. Eine Rauchbombe wurde gezündet. Leider konnte Hoffenheim noch einmal zurückschlagen und ging wieder in Führung. In der letzten Viertelstunde dann aber die stärkste Phase der Eintracht. Hoffenheim kam nicht mehr über die Mittellinie. Russ zog aus zehn Metern ab, der Torwart war geschlagen und wie dieser Ibertsberger da noch seine Birne dazwischenbekam, werde ich in zehn Jahren noch nicht verstehen. Außerdem werde ich nie verstehen, wie man freiwillig sein Rübe hinhalten kann, wenn Marco Russ voll draufbolzt. Die Eintracht steckte aber nicht auf und in der Schlussminute passte Mahdavikia wunderbar nach innen, Fenin kam aus fünf Metern mittig vorm Tor zum Schuss, aber der Torwart konnte sich noch dazwischenwerfen. Man steht unten drin und es kommt auch noch das Pech dazu. Unfasslich. Die Mannschaft wurde trotzdem mit Applaus verabschiedet, denn sie hatte alles gegeben. Das mussten selbst die Funkel-Gegner anerkennen, so dass es fast keine entsprechenden Rufe gab.

Nach der Verabschiedung der Mannschaft, machten wir uns ziemlich schnell auf den Heimweg, was im Nachhinein keine schlechte Idee war. Schon auf dem Weg zum Bahnhof liefen wir an etlichen Turtles vorbei. Der Bahnhof selbst war für Eintracht-Fans schon abgeriegelt. Man konnte nur noch über einen Hintereingang auf die Bahnsteige. Wir holten uns vor dem Bahnhof noch ein paar Portionen orientalisches Fastfood und sahen dann, was uns geblüht hätte, wenn wir noch zehn Minuten länger im Stadion geblieben wären: Auf dem Weg, den wir gerade gekommen waren, wälzte sich jetzt ein Polizeikessel entlang. Hunderte Polizisten bildeten eine Menschenkette unterstützt von der Kavallerie, in der Mitte die Eintracht-Fans. Bevor diese gut gelaunte Versammlung den Bahnhof erreichte und dieser dann möglicherweise komplett geschlossen würde, machten wir uns ab auf den Bahnsteig und fuhren nach Hause (diesmal über Karlsruhe). Im Zug trafen wir noch drei Eintrachtfreaks und gegen 21 Uhr waren wir in Stuttgart am Bahnhof. Da fährt man von Stuttgart nach Mannheim zum Fußballspiel und ist den ganzen Tag unterwegs. Und dann noch nicht mal Punkte im Gepäck. Was ein Ärger.