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Der süße Duft von Orange und Zimt flaniert durch die Luft, die frisch geschlagene Nordmanntanne steht hell beleuchtet in der Wohnstube und die knisternden Flammen hinter der Kaminscheibe sorgen für eine besinnliche Atmosphäre. Kann es vier Tage vor Weihnachten etwas Schöneres geben? Ja klar – 20:45 Uhr, Heidenheim, Pokal.

Bereits als während der Auslosung der rote Adler aus dem großen Bottich gezogen und man dem 1. FC Heidenheim zugeteilt wurde, war man sich der Besonderheit dieser Begegnung bewusst. Einer der vermeintlich schwächsten Pokalgegner sollte es also sein, der sich auf dem erneuten Weg nach Berlin unserer Magischen in den Weg stellen wird. Man war sich einig, dass sollte eine machbare Aufgabe werden. Verstärkt wurde die Vorfreude durch ein kleines, aber feines Detail während der Auslosung – das Eintracht-Emblem wurde als zweites gezogen und rechts neben den 1.FC Heidenheim platziert.

Folglich sollte der Pokalfight auf fremden Rasen ausgetragen werden, was zur Freude aller äußerst positiv aufgenommen wurde. In der Enklave lebend, umgeben von roten Brustringen, gibt es nicht viele Mannschaften, die von hiesigem Exil aus schneller als aus der Bankenmetropole zu erreichen sind. Als amtierender Herbstmeister der Auswärtstabelle sollte uns das fremde Grün natürlich zusätzlich zusagen. Und dann auch noch in einem Stadion, welches bis dato nur dem akribischen Kicker-Leser etwas sagen sollte. Es sollte nämlich das erste Pflichtspiel unseres Traditionsvereins gegen den besagten FC Heidenheim sein, welchen mancher Zuschauer während der Pokalauslosung noch der Regionalliga zuschrieb. Heidenheim: Unauffälliger Zweitligist ohne Potential, sich in den Kopf des deutschen Fußballinteressenten zu brennen. Kein Traditionsverein, den man aus alten Tagen kennt. Kein großer Mäzen, der die Wut des traditionsbewussten Fußballfans auf sich zieht. Keine Fanszene, zumindest keine die bis nach Frankfurt (bzw. Stuttgart) vorgedrungen wäre. Fußball irgendwo im Mittelfeld der zweiten Liga, welcher wohl auch nur vom Liebhaber der zweiten deutschen Fußballliga zur Kenntnis genommen wird. Sei es drum, dafür kann wieder mal in der Landkarte ein schwarz-weißes Fähnchen auf ein Fleckchen in der Bundesrepublik gesteckt werden, welches man wohl sonst in seinem Leben nie gesehen hätte.

Die Vorzeichen konnten an diesem Mittwoch vier Tage vor Weihnachten also kaum besser stehen.  Selten besser gelaunt wurde der Arbeitstag in der Früh begonnen und die bevorstehenden Stunden im Büro unter eingeschränkter Fokussierung abgesessen. Die Vorfreude steigt an solchen Tagen bekanntlich im Minutentakt, was weder die Fußball-desinteressierte Kollegin von gegenüber noch der „eingefleischte“ Bayern-Fan aus dem Nachbarbüro verstehen kann. Erstere lässt sich nicht mal durch das unbewusste Vor-sich-her-Summen diverser Eintracht-Gassenhauer überzeugen und sehnt sich meinem „Ich wünsche euch noch einen schönen Arbeitstag“ um 14:00 Uhr mindestens genauso entgegen wie ich. Nachdem die vierte Flasche SilberBrunnen-Sprudel geleert ist, kann es endlich losgehen. Während sich einige Reiseteilnehmer bereits vorab in der Stadt bei Speis und Trank für die bevorstehende Fahrt stärkten, wurden andere Beifahrer aufgrund ihrer Unpünktlichkeit vor der Haustüre abgeholt.

Es sollten sich an diesem Mittwoch 15 Exiladler, aufgeteilt auf zwei 9er Busse, auf den Weg zum Pokalspiel machen. Beachtlich, berücksichtigt man doch die Anstoßzeit Werktags kurz vor Weihnachten. Zudem sei dem geographisch unbewanderten Leser gesagt, dass man nach Heidenheim selbst von der baden-württembergischen Landeshauptstadt anderthalb Stunden Fahrtzeit benötigt und sogar ursprüngliche Schwaben die Einöde auf der schwäbischen Ostalb nur vom Hörensagen kannten. Dies sollte die Lust der Reisegruppe jedoch nur peripher einschränken, wurden doch sämtliche Vorkehrungen für einen angenehmen Ausflug getroffen. Für die kräftezehrende Fahrt wurde ein ausreichender Vorrat an kühlen Hopfen-Malz-Getränken angelegt, mit welchen man sich auf den Weg gen Süd-Osten machte. Auch bei der musikalischen Begleitung wurde im Vorfeld nichts dem Zufall überlassen: Mit DJ Hille konnte auf einen langjährigen und erfahrenen Diskjockey zurückgegriffen werden, dessen Spezialgebiet – gepflegte Fußballfahrten – vorzüglich in die Tagesordnung passte. Einen Wermutstropfen gab es hierbei jedoch zu beklagen: Die heißgeliebte und zwischenzeitlich zum Kultobjekt etablierte Bee-Gees-CD konnte nicht zum Besten gegeben werden. Man munkelt, dass ein entnervter Beifahrer der vergangenen Auswärtsfahrt in Schweinfuhrt die Gunst der späten Stunde nutzte und das Folterinstrument verschwinden ließ – Frechheit!  Aber auch ohne die Gebrüder Gibb sollte die musikalische Darbietung keine Wünsche offenlassen. Angesagte Hits von Adam und den Micky’s bis Belinda Carlisle sorgten neben dem einen oder anderen Durstlöscher für optimale Betriebstemperaturen für den bevorstehenden Abend. So konnte sich auch der eine oder andere vom Vorabend angeschlagene Beifahrer nach intensiver Überzeugungsarbeit vom köstlichen Kaltgetränk überzeugen lassen. Es sollte nicht sein letztes an diesem Abend bleiben.

Nach Ankunft in der Metropole Heidenheim wurde jedoch nicht direkt die Spielstätte angefahren, sondern zielstrebig die örtliche Gastronomie angesteuert. Nach gründlicher Recherche der angesagtesten Lokalitäten fiel die Entscheidung auf kein geringeres Etablissement als Wilhelm’s Dartclub. Obwohl das äußere Erscheinungsbild – bedingt durch getönte Frontscheiben bestückt mit Aufklebern diverser Glücksspielanbieter – zunächst nicht den Eindruck vermittelte, die Gaststätte sei geöffnet, wurde man doch eines Besseren belehrt. Nachdem man sich durch die ersten Rauchschwaden durchgekämpft hatte, sollten sich ein bestens ausgestatteter Tresen sowie diverse Dartspielautomaten präsentieren. Aufgrund unseres unwiderstehlichen Charmes unterbrach der Wirt sogar seine laufende Dartpartie mit den drei weiteren anwesenden Personen und versorgte die Reisegruppe mit den liquiden Spezialitäten des Hauses. Nachdem lautstark das Revier markiert wurde, konnte endlich dem Dartspiel gefrönt werden. Herrje, was kommen bei dieser herrlichen Atmosphäre für Erinnerungen aus der Jugend des Dorfkindes auf. Manch Reiseteilnehmer gefiel die einladende Umgebung gar so, dass er fast das bevorstehende Pokalspiel der magischen SGE vergessen hätte. Zum Glück behielten verantwortungsvolle Fanclubmitglieder den Überblick, sodass pünktlich die Weiterfahrt an das Stadion fortgesetzt werden konnte. Nach Ankunft an diesem konnte man direkt feststellen, dass es sich um das höchstgelegene Fußballstadion im Profibereich handelt.  Nachdem der von Schneemassen umgebene Parkplatz gefunden war, konnte der Marsch ans Stadion beginnen. Dieser dauerte nicht sonderlich lange, weshalb man vor dem Stadion noch bekannte Gesichter der Sportgemeinde gutgelaunt begrüßen konnte. Bei einer Auswärtsfahrt darf es selbstverständlich auch nicht fehlen, dass vor dem Einlass erst drei Karten fehlen und fünf Minuten später zwei zu viel vorhanden sind. Ein altes Spiel, dass am Ende doch immer irgendwie aufgehen soll. Während ein Teil der Reisegruppe auf den Stehplatz ging, drapierte sich der andere Teil nach kurzem Waldmarsch auf der Gegentribüne.

Das Stadion an für sich hat aufgrund seiner kleinen Größe und entsprechenden Bauweise sicherlich einen gewissen Charme, jedoch findet man diesen Typus Station auch an anderer Stelle. Mit etwas Verspätung sollte unsere Elf also in die VOITH Arena einlaufen. Der Vorjahresfinalist wurde von den Rängen direkt standesgemäß empfangen. Eine Bockfahne mit Free Joint Bambule Banner wurde gebührend mit rotem Pyro umrandet. Bedingt durch die Anzahl der Wunderkerzen, den niedrigen Temperaturen sowie dem kleinen, geschlossenen Stadion bedeckten beachtliche Nebelschwaden das kühle Grün. Supportseitig konnte auch unser EFC ein Ausrufezeichen setzen: Eine große und eine etwas kleinere Schwenkfahne auf der Gegentribüne bei einem Auswärtsspiel wurde schon lange nicht mehr gesehen. Entsprechend positiv war die Resonanz im Stehblock über die überdimensionalen EFC-Adler-Stuttgart-Textilien an außergewöhnlicher Stelle.

Der Spielverlauf soll an dieser Stelle nicht tiefgründiger dargelegt werden. Unsere Eintracht tat sich wie bereits häufiger in dieser Saison gegen vermeintlich schwächere Gegner äußerst schwer. Es gelang nicht, dass Spielgeschehen selbst aktiv und bestimmend zu gestalten, weshalb dem Zuschauer ein sehr zäher Kick dargeboten wurde. Das Match stellte sich wie ein klassisches Null-zu-Null-Spiel dar, weshalb es folglich nach 90 Minuten in die Verlängerung gehen sollte. In dieser war dem Zweitligisten am voranschreitenden Abend die Müdigkeit anzumerken und unsere SGE konnte einen gut gespielten Angriff in Person von Mijat Gaćinović in den nicht unverdienten Führungstreffer ummünzen. Während man sich auf den Rängen noch zur vermeintlichen Entscheidung gratulierte, wurde die kurzzeitige Führung auch schon wieder egalisiert. Eine verzweifelte Flanke des FCH von der linken Seite segelt durch den Frankfurter Strafraum an Freund, Feind und letztendlich auch an Lukáš Hrádecký vorbei ins Netz. In der Folge konnte sich die Frankfurter Mannschaft jedoch nochmals für die letzten Arbeitsminuten dieses Jahres zusammenreißen. Nach Vorarbeit über die rechte Seite war es einmal mehr Sébastien Haller, der mit seiner Kaltschnäuzigkeit die Diva auf die Siegesstraße führte. Ob durch Verlängerung oder nach vermeintliche Fehlentscheidungen des Schiedsrichtergespanns, danach kräht schon heute kein Hahn mehr. Die Pokalaufgabe konnte somit ohne viel Glanz gelöst werden und die Eintracht wurde am Ende ihrer Favoritenrolle gerecht.

Die Rückfahrt nach Stuttgart gestaltete sich entsprechend glückselig und feuchtfröhlich. Während DJ Hille seine Nachtschicht antrat, träumte der ein oder andere Mitfahrer schon mal vorab von Berlin. So sollte ein erfolgreiches Pokalspiel kurz vor Weihnachten auf den Niederungen der Ostalb zu Ende gehen. No Mercy, die Hesse komme !